Fachtagung 2024: Digitalisierung – Gemeinsam für die Energiewende
Teilnehmer der Fachtagung der PEE BW diskutierten über Zukunftsthemen der Branche
Die Fachtagung der Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg (PEE BW) am 11. Juli 2024 in Stuttgart beleuchtete die Chancen der Digitalisierung im Energiesektor und den aktuellen Stand in Baden-Württemberg. Den Teilnehmern aus der Branche bot die vom Geschäftsführer der PEE BW, Jürgen Scheurer, moderierte Fachtagung wertvolle Einblicke und schuf eine Plattform für den regen Austausch über die wichtigen Themen der Digitalisierung und Energiewende.
Photovoltaikanlagen, Windkraft und andere erneuerbare Energien werden künftig zentrale Elemente der Energieversorgung in Deutschland darstellen, sowohl im Stromsektor als auch in den Bereichen Gebäude und Mobilität. Die Digitalisierung fungiert hierbei als entscheidender Hebel, um diese Transformation wirtschaftlich und technisch sinnvoll zu gestalten. Dennoch bringt sie gegenwärtig oft Unsicherheiten mit sich. Für den Erfolg der Energiewende ist die Digitalisierung jedoch unerlässlich; es gilt, Vertrauen zu schaffen und die damit verbundenen Mehrwerte klar zu kommunizieren.
In seinem fachlichen Grußwort betonte Staatssekretär Dr. Andre Baumann vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (UM), dass eine flächendeckende Digitalisierung für das Land von höchster Priorität ist. Diese ist für alle Sektoren und gesellschaftlichen Bereiche notwendig, um zukunftsfähig zu bleiben, einschließlich der Industrie. Ziel ist es, Baden-Württemberg zu einer Leitregion in Europa und der Welt zu entwickeln, wobei das Land bereits heute zu den Spitzenreitern zählt. Dr. Baumann dankte allen Akteurinnen und Akteuren für ihren engagierten Einsatz, um die Energiewende in Baden-Württemberg voranzutreiben.
Rafal Hofmann, Referatsleiter für Verwaltung und Recht im UM, erläuterte die bereits ergriffenen Maßnahmen zur Digitalisierung von Genehmigungsverfahren von Windkraftanlagen. Ein zentrales Ziel besteht darin, eine gemeinsame Kommunikationsplattform für alle Beteiligten zu schaffen, die von der Materialbeschaffung über die Infrastruktur bis hin zur Energieproduktion reicht. Zudem soll der Ausbau und Umbau der Energieversorgung beschleunigt werden. Das Ministerium übernimmt dabei die Abstimmung und Koordination, sieht sich jedoch Herausforderungen durch die Organisationshoheit der Landratsämter gegenüber, die entscheiden, wann und wie schnell sie sich der Digitalisierung anschließen.
Die Digitalisierung ist eng mit der Cybersicherheit und dem Schutz kritischer Infrastrukturen verknüpft. Der Landtagsabgeordnete Ansgar Mayr (CDU), Mitglied im Ausschuss für Inneres, Digitalisierung und Kommunen, verdeutlichte die Notwendigkeit, Risikofaktoren zu identifizieren und Sicherheitsstrategien anzupassen. Die Sensibilisierung für menschliche Faktoren ist wichtig, entbindet jedoch nicht von der politischen Verantwortung, echte Gefahren wie die Komponentensicherheit und die Beschaffungsstrategien zu adressieren, die in der Vergangenheit aus Kostengründen nach China verlagert wurden.
Die Digitalisierung kann den Ausbau von Netzen unterstützen und begleiten. Für eine zukunftsorientierte Netzstruktur ist es entscheidend, diese im Gesamtkontext zu betrachten. Die kommunale Wärmeleitplanung bietet einen vielversprechenden Ansatz zur Einführung einer umfassenden Energieleitplanung. Manuel Baur, Leiter der Stabsstelle Integrierte Infrastrukturplanung bei Badenova, stellte das Projekt der Integrierten Energieleitplanung vor, das die Energiepotenziale mit dem Flächennutzungsplan verknüpft. Ziel ist es, zukünftige Versorgungslösungen auf Einzelgebäudeebene mithilfe eines GIS-gestützten digitalen Zwillings und maschineller Lernverfahren bestmöglich vorherzusagen. So sollen zukünftige Anforderungen an das Stromnetz gebäudegenau antizipiert und eine automatisierte Analyse der Siedlungsstrukturen zur Definition von Eignungsgebieten für zentrale und dezentrale Transformationslösungen durchgeführt werden. Dies ermöglicht eine zielgerichtete Netzplanung und die Entwicklung einer spartenübergreifenden Energieleitplanung.
Julia Müller und Christian Schneider von SmartGrids präsentierten, wie digitale Energienetze die Energiewende beschleunigen können. Julia Müller gliederte die analysierten Herausforderungen und die damit verbundenen Aufgaben für die Akteurinnen und Akteure in vier Handlungsfelder: die Verbindung von Netz und Markt, die konsequente Sektorkopplung, die Forschungsförderung und Reallabore sowie die Ermöglichung von Partizipation auf allen Ebenen. Christian Schneider veranschaulichte anhand konkreter Beispiele, wie die Digitalisierung zu einer effizienteren Nutzung und einem beschleunigten Ausbau der Energieinfrastruktur geführt hat.
Torsten Höck, geschäftsführender Vorstand des Verbands für Energie- und Wasserwirtschaft e. V., thematisierte die Synchronisierung des Ausbaus erneuerbarer Energien mit dem notwendigen Netzausbau in Baden-Württemberg. Die Veränderungen durch die Energiewende führen zu einer erhöhten Systemverantwortung für die Verteilnetze. Daher ist es wichtig, nicht nur von einer Stromerzeugungswende, sondern von einer umfassenden Energiewende zu sprechen. Die Neuanschlüsse ans Netz erreichen derzeit Rekordniveau und stellen die Infrastruktur vor erhebliche technische und organisatorische Herausforderungen. Für eine erfolgreiche Energiewende muss der Ausbau der erneuerbaren Energien daher eng mit dem Netzausbau synchronisiert werden.
Dr. Matthias Stark, Leiter Erneuerbare Energiesysteme beim Bundesverband Erneuerbare Energien e.V. (BEE) stellte die Studie zu Netzverknüpfungspunkten vor. Anlass der Studie war, dass es bei der Netzanbindung neuer Energieanlagen durch lange Lieferzeiten von Transformatoren- und Umspannstationen immer häufiger zu Verzögerungen kommt. Die NVP-Studie untersucht, wie sich eine gemeinsame Nutzung von Netzverknüpfungspunkten durch volatile und steuerbare EE-Erzeuger, Speicher und Anlagen zur Sektorenkopplung auswirkt. In Simulationen wurden dabei deutschlandweit potenzielle Wind- und Solarparks hinsichtlich ihres Netzverknüpfungspunktes „überbaut“, sie möglichst effizient zu nutzen.
Matthias Stark erläuterte, dass die Überbauung in den meisten Fällen problemlos möglich ist und große Vorteile bringt. Nun müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Auf dem abschließenden Podium diskutierten Arno Ritzenthaler, Geschäftsführer von SmartGrids, Jörg Dürr-Pucher, Vorstandsvorsitzender der Plattform EE BW, und Torsten Höck darüber, ob der Netzausbau die Energiewende ausbremst. Dabei wurde deutlich, dass der Netzausbau gegenwärtig als Flaschenhals der Energiewende fungiert. Neben den technischen Umsetzungen mangelt es an Konzepten auf den unteren Netzstufen und an einer adäquaten Finanzierung. Angesichts der Komplexität ist ein Masterplan erforderlich, ebenso wie Modellprojekte, die aufzeigen, wie der Umbau erfolgreich gestaltet werden kann. Denn ein effektiver Netzausbau ist auch entscheidend für die Stabilisierung der Energiepreise.
Die Versorgungssicherheit manifestiert sich auch in einem stabilen Netz und ist entscheidend für die Akzeptanz in der Bevölkerung. Daher müssen sowohl von den Energieerzeugern als auch von den Netzbetreibern Lösungen für den Überschussstrom erarbeitet werden.
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