Im Südwesten hat sich im Jahr 2021 die Zahl der Biogasanlagen um 15 auf insgesamt etwas über 1.000 Anlagen erhöht – das ist ein Plus um 1,5 Prozent. Die installierte Leistung stieg sogar um 25 MW, da bei bestehenden Anlagen zusätzliche Generatoren eingebaut wurden. Die neuen Zahlen stammen aus einer aktuellen Erhebung des Fachverbands Biogas. Im klimafreundlichen Energiemix nimmt Biogas eine wichtige Rolle ein. Die Leistung muss nach Berechnungen der Plattform EE BW weiter ausgebaut werden. Bereits in der aktuellen Energiekrise könnte Biogas mehr Erdgas ersetzen. Dafür muss jedoch noch manche Bremse gelöst werden.
Jede zehnte Biogasanlage in Deutschland steht in Baden-Württemberg. Im vergangenen Jahr sind in Baden-Württemberg 23 neue Biogasanlagen ans Netz gegangen. Bei allen neuen Anlagen handelt es sich um sogenannte Güllekleinanlagen. Dem Ausbau steht die Stilllegung von acht Anlagen gegenüber. Damit erhöht sich die Gesamtzahl der Anlagen auf insgesamt 1.012 Anlagen. In Baden-Württemberg entspricht das Ergebnis den Anforderungen, um das Klimaziel der Landesregierung zu erreichen.
Die installierte Leistung im Ländle steigt um über 25 Megawatt (MW) auf knapp über 520 MW. Davon stammen aber nur rund 2,5 MW aus den neu entstandenen Anlagen. „Der mit Abstand größte Anteil dieser Leistungssteigerung, nämlich über 17 MW oder fast 70 Prozent, wurde durch die fortschreitende Flexibilisierung des Anlagenbestands erreicht“, erklärt Raphael Montigel, Fachreferent für Biogas bei der Plattform EE BW. Die Flexibilisierung erlaubt eine punktuelle Stromerzeugung zu den Zeiten, wenn Wind und Sonne keinen oder nicht genug Strom anbieten. Sie bildet also das Rückgrat einer klimaneutralen Stromerzeugung, deren Herzstück Wind und Sonne sind.
Strompreisdecken könnte Flexibilisierung bei der Stromerzeugung erschweren
Die Plattform EE BW geht davon aus, dass zur Erreichung der Klimaneutralität bis spätestens 2040 eine weitere Steigerung der installierten Leistung auf 710 MW notwendig ist. Flexible Anlagen werden hier eine wichtige Rolle spielen – und tun dies bereits. „Aktuell schieben sich flexibilisierte Biogasanlagen in Spitzenzeiten wie ein Schutzschild zwischen Verbraucher:innen und teuren fossilen Strom und dämpfen so den Preisdruck“, sagt Montigel. „In einem klimaneutralen Strommarkt bilden sie einen integralen Anteil am Sicherheitsnetz im Falle von Dunkelflauten. Die gestern vorgestellten Zahlen zeigen, dass Baden-Württemberg rein rechnerisch auf dem richtigen Weg ist.“ Nun gelte es, diese Entwicklung nicht durch pauschale Strompreisdeckel auszubremsen.
Das Problem: Der Anreiz, die notwendigen, aber teuren Investitionen in die Flexibilisierung einer Anlage zu tätigen, wird über den Strompreisdeckel ausgeschaltet. Mit einem differenzierten Deckel könne der Investitionsanreiz dennoch erhalten und gleichzeitig ein spürbarer und dringend notwendiger Preiseffekt für Endkund:innen erzielt werden, so Montigel. Die bisherigen Pläne der Bundesregierung zum Strompreisdeckel ließen die bisweilen enormen Unterschiede der verschiedenen Energieträger in der Stromerzeugung komplett außer Acht. „Natürlich muss der Strompreisexplosion dringend Einhalt geboten werden. Ein pauschaler Preisdeckel schert allerdings alle Energieträger über einen Kamm. Mit einer differenzierten Gestaltung hingegen könnten gleich mehrere Ziele in Einklang gebracht werden – günstigerer Strom und die wichtige Transformation des Anlagenbestands für die Energieversorgung der Zukunft“, so Montigel weiter.
Blick auf die bundesweiten Zahlen
Deutschlandweit ist die Anzahl der Biogasanlagen im Jahr 2021 um 138 auf 9.770 gestiegen. 152 neuen Anlagen stehen 14 Stilllegungen gegenüber – und damit weniger als befürchtet. Die installierte Leistung erhöhte sich um 194 MW auf 5.860 MW, wovon 3.825 MW arbeitsrelevant sind, was einen Zubau von knapp zehn MW gegenüber 2020 bedeutet. Die Bruttostromproduktion beläuft sich auf etwa 33,47 Terawattstunden (TWh).
Wie schon in den vergangenen Jahren ist der bundesweite Zubau an flexibler Leistung augenfällig: den zehn Megawatt arbeitsrelevanter Leistung, also der Leistung, die tatsächlich für zusätzlichen Strom im Netz sorgt, steht ein Zubau von 226 MW installierter Leistung gegenüber, die für eine flexible und bedarfsgerechte Fahrweise der Biogasanlage errichtet wurde. Auffällig ist außerdem die stark gestiegene Nachfrage nach Biogaswärme, die zu einem Anstieg der externen Wärmenutzung auf über 15 TWh geführt hat, was dem Bedarf von rund 1,3 Millionen Haushalten entspricht.
„Die Bedeutung von Biogas als flexibler, verlässlicher und universell einsetzbarer regenerativer Energieträger wird in der aktuellen Krise besonders deutlich“, betont der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide. Das spiegele sich in den Zahlen zur Wärmenutzung anschaulich wider, lasse sich aber auch bei der Stromversorgung ablesen.
Insgesamt bezeichnet Präsident Seide die Entwicklung allerdings als „nicht berauschend“: „Die aktuellen Zahlen zeigen die massive Verunsicherung in der Branche, da die komplett aus dem Ruder laufenden rechtlichen Vorgaben und die politischen Unsicherheiten die Investitionsbereitschaft deutlich dämpfen. Um die Potenziale von Biogas dauerhaft zu heben, braucht es jetzt ein klares Bekenntnis der Politik und verlässliche Perspektiven, die über das Jahr 2024 hinausgehen.“
Zu den Branchenzahlen.
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