Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg fordert Änderungen zu Gunsten des Wirtschaftsstandorts
In den vergangenen beiden Jahren hat der Windenergieausbau in Baden-Württemberg an Fahrt aufgenommen. Wird ein Satz im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung umgesetzt, könnte der Ausbau bald zum Stillstand kommen. Darauf weisen die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg (PEE BW) und der BWE Landesverband Baden-Württemberg hin. Der kritische Passus im Koalitionsvertrag: Das Referenzertragsmodell solle auf Kosteneffizienz überprüft werden. Das Referenzertragsmodell schafft durch Zuschläge vergleichbare Wettbewerbsbedingungen zwischen windstarken Gebieten in Norddeutschland und Gebieten mit einer geringeren Windernte. Würde es abgeschafft oder abgeschwächt, entstünde für Baden-Württemberg ein Nachteil. Die Errichtung von Windenergieanlagen würde im Südwesten deutlich erschwert und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im Land und der Wirtschaftsstandort gefährdet. Stutzig macht auch die Aussage im Koalitionsvertrag, dass die Windenergieflächenziele für 2032, im Südwesten 1,8 Prozent der Landesfläche, evaluiert werden.
Der Bau von Windparks ist für die Wirtschaft in Baden-Württemberg entscheidend. Ohne günstigen Strom aus Sonne und Wind wird die wirtschaftliche Dynamik im Land kaum wieder in Fahrt kommen. Aktuell kommen von den Projektierern positive Signale: Die Anzahl der Genehmigungen und der Zuschläge in den letzten Ausschreibungen deuten auf eine starke Zunahme des Baus und Inbetriebnahme von Windparks in den Jahren 2028 bis 2030 hin. Bis zu 1.000 neue Windräder könnten dann im Bau oder sogar schon in Betrieb sein.
Damit könnte bald Schluss sein. In Zeile 1042 bis 1044 des am 9. April vorgestellten Koalitionsvertrags heißt es wörtlich: „Wir überprüfen das Referenzertragsmodell auf Kosteneffizienz unter anderem hinsichtlich unwirtschaftlicher Schwachwind-Standorte.“ Konkret bedeutet das: Bekämen weniger windhöffige und damit weniger wirtschaftliche Gebiete als die windstarken Flächen in Norddeutschland geringere Vergütungszuschläge, droht ein Kahlschlag beispielsweise bei Projekten in Baden-Württemberg.
Keine Axt an die Förderzuschläge legen
Die Rahmenbedingungen müssten weiter behutsam vorangetrieben anstatt gekappt werden, so die PEE BW und der BWE. Das bewährte Referenzertragsmodell etwa gibt einen finanziellen Ausgleich für die höheren Gestehungskosten für Windstrom in Süden Deutschlands. „Die Förderbedingungen müssen in den nächsten Jahren stabil bleiben, sonst ist mit einem Fadenriss des erwarteten Zubaus von Windparks in Baden-Württemberg zu rechnen“, sagt Jürgen Scheurer, Geschäftsführer der PEE BW. „Hier scheint die neue Bundesregierung von dem bewährten Pfad abweichen zu wollen, das darf nicht passieren.“
Das sieht auch Umweltministerin Thekla Walker so. „Bei der Windkraft riskiert die künftige Bundesregierung einen erneuten Einbruch der Windbranche im Süden. Die geplanten Änderungen beim Referenzertragsmodell laufen darauf hinaus, dass Projekte aus Baden-Württemberg bei Ausschreibungen nach dem EEG es deutlich schwerer haben werden. Das Modell garantiert bisher, dass eine schwierigere Topographie und Logistik beim Bau von Windrädern berücksichtigt wird. Dieser Wettbewerbsausgleich zwischen Projekten auf einem Höhenzug im Schwarzwald im Vergleich zu Anlagen in der norddeutschen Tiefebene hat sich bewährt. Denn für Netzstabilität und geringere Netzausbaukosten brauchen wir überall Windkraft. Investoren brauchen dafür stabile Rahmenbedingungen. Dieser Koalitionsvertrag gefährdet die Planungssicherheit für eine Boombranche. Das ist energie- und wirtschaftspolitisch unverantwortlich.“
1,8-Prozent-Flächenziel nicht in Frage stellen
Von der Branche kritisch gesehen wird auch die Aussage im Koalitionsvertrag, dass die Flächenziele für die Windenergie im Jahr 2032 evaluiert werden („Die Flächenziele für 2032 evaluieren wir“, Zeile 1032). Dies könnte bedeuten, dass sie in Frage gestellt werden. Für eine Planungssicherheit ist das Gift. „Richtig ist, dass bei den politischen Zielen um Terawattstunden Windstrom geht und nicht um ausgewiesene Flächen in Hektar“, erklärt Julia Wolf, Vorsitzende des BWE Landesverband Baden-Württemberg. „Um die benötigten Windenergieanlagen zu errichten, braucht es jedoch Flächen, die dafür ausgewiesen werden. Ohne sie geht nichts. Daher ist es richtig, Flächenziele auszuweisen, mit denen die Windenergieerträge erzielt werden können.“ Das 1,8-Prozent-Ziel für Baden-Württemberg habe sich bewährt, so Wolf.
RED III und Windenergieregionalplanung vorantreiben
Darüber hinaus liegt es in der Verantwortung der neuen Bundesregierung, das Strommarktdesign so zu entwickeln, dass der weitere Zubau erneuerbarer Energien marktwirtschaftlich möglich wird. Positiv stimmt, dass die Koalition sich im Vertrag auf die zügige Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie III (RED III) der EU geeinigt hat (Zeile 974). Durch eine schnelle Umsetzung der Richtlinie in Bundesrecht würde der von der Vorgängerregierung bereits begonnene Bürokratieabbau und die Beschleunigung von Planungs-, Umsetzungs-, und Genehmigungsverfahren zukunftsfest gemacht werden.
Doch auch die Regionalverbände im Land müssen liefern, um die Windenergieausbau zu ermöglichen. Die kurz vor der Vollendung stehenden Regionalpläne müssen möglichst schnell in Kraft treten, um die Flächenplanung für die geplanten rund 1.000 Windräder abzusichern und die Basis für die Planung der nächsten etwa 1.000 Windräder zu legen. Im Jahr 2040 sollen etwa 3.000 Windräder über 30 Terawattstunden Windstrom ins Stromnetz von Baden-Württemberg einspeisen.
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