04.03.2024 | Kraftwerksstrategie des Bundes: Biogas könnte wichtiges Element sein – wird bislang aber ignoriert

Branche fordert Aufnahme von Biogasanlagen in den Kraftwerksausbau und Verdopplung der Leistung

Biogasanlage in Mauenheim bei Tuttlingen, © Plattform EE BW / Kuhnle & Knödler

Biogasanlage in Mauenheim bei Tuttlingen, © Plattform EE BW / Kuhnle & Knödler

Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg kritisiert, dass bestehende Kapazitäten nicht berücksichtigt werden

Die Stromversorgung in Deutschland wird künftig immer grüner. Da die Einspeisung von Wind- und Solarstrom jedoch schwankt, braucht es zum Ausgleich hochflexible und klimafreundliche Kraftwerke. Den Fahrplan zu diesem Vorhaben hat die Bundesregierung im Februar 2024 mit ihrer Kraftwerksstrategie vorgelegt. Der Plan sei insgesamt zielführend, ein wichtiges Element fehle jedoch in der Strategie, kritisieren die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg (PEE BW) und der Fachverband Biogas: „Biogas wird mit keiner Silbe erwähnt“, sagt Jörg Dürr-Pucher von der PEE BW. „Dabei ist das Potenzial des klimafreundlichen Gases hoch.“ Die Branche fordert daher, Biogas in die Kraftwerksstrategie aufzunehmen. Unter anderem könnte die Leistung der Anlagen ohne weiteren Maiseinsatz auf 12.000 Megawatt verdoppelt werden – das wären ganze 17 Prozent der fossilen Erzeugungskapazität.

In der Einigung der Bundesregierung zur Kraftwerksstrategie ist ein wichtiger Sinneswandel weg vom Aufbau großer Kraftwerkskapazitäten hin zu zuverlässigen und flexiblen Kraftwerken erkennbar. „Genau das ist es, was das Stromsystem der Zukunft braucht“, sagt Jörg Dürr-Pucher, Vorsitzender der PEE BW. „Biogas kann hier einen wichtigen Betrag leisten.“ Mit Unverständnis reagiert er daher auf die Tatsache, dass in der Einigung zwar von Technologieneutralität gesprochen wird, aber mit keinem Wort der bundesdeutsche Biogasanlagenpark erwähnt wird.

Besser auf Vorhandenes als auf Hoffnungen setzen

In der Einigung setzt die Bundesregierung insbesondere auf grünen Wasserstoff, jedoch auch auf unausgereifte Technologien wie die Kernfusion oder dem klimaschädlichen blauen Wasserstoff. Eine Nennung der vorhandenen Biogaskraftwerke, die mit ausgereifter Technologie schnell und kostengünstiger zur Verfügung stehen, sucht man jedoch vergeblich, kritisiert Dürr-Pucher.

Dürr-Pucher verweist auf Berechnungen, wonach die flexible Leistung der bestehenden Biogasanlagen bundesweit von derzeit 6.000 auf 12.0000 Megawatt verdoppelt werden kann – und zwar, ohne dass ein einziger zusätzlicher Hektar Mais benötigt wird und weit vor dem Zeitpunkt, an dem die ersten der geplanten Gaskraftwerke überhaupt in Betrieb gehen. Bis 2050 könnte die Leistung dieser sogenannten Flex-Kraftwerke noch einmal auf 24.000 Megawatt verdoppelt werden. Mit dem aktuellen Ausschreibungsdesign hingegen riskiere die Bundesregierung Anlagenstilllegungen und eine noch größere Stromlücke, die wiederum später teuer geschlossen werden muss.

Deutschland sollte mit Biogas auf heimische Energie setzen, sonst werde bei knappen Kassen bestehende Infrastruktur zerstört. „Wenn die aktuelle Regierung nicht schnell aufwacht, ist insbesondere das Wirtschaftsministerium dafür verantwortlich, dass ein zuverlässiger Biogasanlagenbestand zum Aufhören gezwungen wird“, erklärt Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas. „Ein Schaden, den kommende Regierungen nicht wiedergutmachen können.“

Biogas hilft beim Kohleausstieg

„Biogasanlagen helfen, den Kohleausstieg bis 2030 zu ermöglichen und damit Deutschlands Klimabilanz schnell zu verbessern. Das ist mit fossilen Gaskraftwerken und ihren langen Übergangszeiten zu grünem Wasserstoff überhaupt nicht möglich“, so Seide. „Deswegen ist es so wichtig den Anlagenbestand zu erhalten.“

Aus dem Umfeld des Bundeswirtschaftsministeriums ist bekannt, dass die finanzielle Unterstützung der neuen Gaskraftwerke schätzungsweise rund 16 Milliarden Euro kosten soll. „Mit Biogas ist die künftige Versorgungssicherheit günstiger zu haben, selbst wenn über Jahre hinweg den Betreibern eine Flexibilisierungsprämie oder ein Zuschlag für systemdienliche Erzeugung gezahlt wird“, betont Seide. Damit Biogas im vollen Umfang zur künftigen Stromversorgung beitragen kann, müssten die aktuelle Anlagen weiter genutzt werden. „Auch darf man nicht vergessen, dass der heutige Biogasanlagenbestand mittels effizienter Kraft-Wärme-Kopplung wesentlich zur erneuerbaren Wärmeversorgung beiträgt“, hebt Seide hervor.

Dürr-Pucher von der PEE BW und Seide vom Fachverband Biogas fordern daher unter anderem, dass Biogas in der Kraftwerksstrategie mit 12.000 Megawatt flexibler Leistung bis 2030 berücksichtigt werden muss, deutliche höhere Ausschreibungsmengen bei den Biomasse- & Biomethan-Ausschreibungen sowie angemessene Zuschläge für die Flexibilitätsleistungen. „Die Ampel hat die Chancen der Bioenergie für den Umbau unserer Energieversorgung sträflich vernachlässigt, wie sich bei der Kraftwerksstrategie zeigt. Mit flexibler Stromerzeugung aus Biogas lassen sich Zeiten von wenig Wind- und Solareinspeisung schneller, preiswerter und klimafreundlicher schließen“, so Dürr-Pucher.

Download der Presseinformation als PDF.

 

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